Warum die Startseite überschätzt wird
Weil es immer wieder Thema ist: Es gibt verschiedene Wege, wie Leser online auf unseren Artikeln landen. Die Startseite der tt.com ist nur einer davon.
Der folgende Dialog ist erfunden, dürfte sich im Newsroom aber immer wieder in ähnlicher Weise abspielen:
Redakteur A: Meine Geschichte hat überhaupt nicht funktioniert. Ich versteh das nicht.
Redakteurin B: Ja, das kenn ich.
A: So ein super Thema, aber niemand liest es.
B: Bei mir auch. Dauernd!
A: Weil man die G'schicht ja auch nicht findet auf der Homepage.
B: Wenn es schlecht platziert ist, darf man sich nicht wundern.
A: Ja, ein Wahnsinn!
Was die fiktiven Kollegen hier beklagen, ist also kurz gesagt: Wenn Artikel auf der Startseite nicht angeteasert werden, können sie auch keine hohen Aufrufzahlen erreichen. Oder im Umkehrschluss: Was auf der Startseite platziert wird, funktioniert automatisch besser.
Eines vorweg: Diese Einschätzung ist falsch. Und das lässt sich auch mit Daten belegen.
Die Startseite(n)
Bevor wir uns näher damit beschäftigen, welche Rolle die Startseite für die Performance der Artikel spielt, sollten wir uns einmal vergegenwärtigen, wie sie aussieht.
Hier ist sie:
Wobei – eigentlich sollten wir uns ja die Startseite zu Gemüte führen, die die meisten User zu sehen bekommen.
Rund 80 Prozent der Zugriffe auf die tt.com erfolgen via mobile Geräte. Deshalb sieht die Startseite für die meisten User so aus:
Ohne jetzt zu pingelig sein zu wollen – es kommen noch zwei Einschränkungen:
1) Wer den Newsticker als Startseite festlegt, bekommt das da zu sehen:
2) Und wer über die TT-News-App einsteigt, kann zwischen diesen zwei Ansichten wählen – Standard- und Kompaktmodus (links):
Man sieht also, die Startseite präsentiert sich vielfältiger, als man vielleicht meinen möchte, wenn man sie vornehmlich am Bürocomputer aufruft.
Woher die User kommen
Es kommt aber noch dicker: Der Großteil der User steigt überhaupt nicht über die Startseite ein, um Artikel auf der tt.com aufzurufen.
Wir haben jede Menge Daten und die haben wir kürzlich ausgewertet:
Laut dieser aktuellen Analyse erfolgten die meisten Einstiege in den vergangenen zwölf Monaten über – Trommelwirbel! – Google, genauer: Google Suche, Google Discover (News-Vorschläge auf Android-Handys), Google News und Google News Showcase. Die Startseite kommt nur auf Rang 2.
Im Detail sehen die Ergebnisse folgendermaßen aus:
Das heißt also, dass nicht einmal ein Viertel aller User auf einen Artikel gelangen, weil sie auf der Startseite den Teaser dafür angeklickt haben. Oder anders formuliert: Drei Viertel aller User finden über andere Wege auf die Artikel.
Da sind natürlich jede Menge „Flybys“ dabei.
Wir haben uns bei der Auswertung deshalb auch angesehen, ob sich das Verhalten aller User gesamt von dem der Abonnenten (und jener User, die aktuell kein Abo mehr haben, aber bei uns registriert sind) unterscheidet.
Die Antwort lautet: Ja, und zwar deutlich. Bei den Abonnenten rangiert die Startseite auf Platz 1 und Google folgt mit Respektabstand dahinter.
Wer ein Abo besitzt, geht also öfter als andere gezielt – meist via Smartphone – auf die tt.com und beginnt dann dort zu lesen.
Dass Leute die Seite aus einem grundsätzlichen Informationsbedürfnis oder auch aus Gewohnheit aufrufen, ist ein gutes Zeichen. Allerdings bedeutet es leider nicht, dass die Stammleser dann brav eine Geschichte nach der anderen auf der Startseite konsumieren.
Auch dazu gibt es Zahlen: Im Schnitt liest ein Abonnent (oder registrierter User) 1,4 Artikel pro Website-Besuch. (Da wollen und müssen wir logischerweise noch besser werden, aber das ist eine andere Geschichte.)
Heißt: Selbst wenn ein Artikel auf der Startseite präsent ist, ist die Konkurrenz groß.
Kleiner Exkurs zum Abschluss
Hier noch einige Faktoren, welche die Aufrufzahlen von Artikeln beeinflussen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Wochentag
- Uhrzeit
- allgemeine Nachrichtenlage
- Wetter
- Titel
- Teaser
- Teaser-Foto
- und last but not least: die Geschichte selbst!
Fazit: Die Startseite spielt gesamt für die Artikelaufrufe eine untergeordnete Rolle, bei unserem Stammpublikum ist sie im Vergleich deutlich wichtiger. So wie in Print nicht alles auf Seite 1 landet, können wir online nicht jede Story ganz oben hinpacken. Das ist aber für den Erfolg des Artikels weit weniger tragisch, als man vielleicht vermuten möchte.
Die gute Geschichte findet ihre Leser. Ausnahmen bestätigen die Regel.